Inselbrief Februar 2015 - Bin ich glücklich? - Casa Corazon

Von aussen betrachtet sieht mein Leben perfekt aus. Ich bin 42 Jahre alt, verheiratet und habe zwei Kinder, die mir die meisten Tage ein Lächeln auf mein Gesicht zaubern. Wir können uns finanziell einiges leisten, denn mein Mann ist ein erfolgreicher Anwalt und ich arbeite seit zwei Jahren wieder in meinem Beruf als Arzthelferin.

Es gibt keinen Grund zum Klagen, alle äusseren Umstände sind gut und ich könnte glücklich zu sein. Dennoch erwische ich mich immer wieder, wie ich gereizt, traurig und unzufrieden bin.

Im letzten Urlaub in Brasilen lag ich alleine am Strand. Mein Mann und die Kinder waren tauchen, und ich bemerkte, wie mir die Tränen über das Gesicht rollten. Warum? Was ist los mit mir? Wieso kann ich nicht glücklich sein? Ich klage auf einem sehr hohen Niveau, das ist mir bewusst. Ich schiebe auch immer wieder meine negativen Gedanken weg und will lernen, positiver zu denken, indem ich mir immer wieder sage: „So schlimm ist es ja nicht! Stell Dich nicht so an! Anderen geht es viel schlechter als Dir!“

Schnell setzte ich mir die Sonnenbrille auf, damit niemand sehen kann, dass ich weine. Es war mir peinlich, meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen, obwohl mich hier niemand kannte. Dieses Verhalten löste gleich eine neue Frage in mir aus: „Warum schäme ich mich vor Fremden? Jeder kann mal einen schlechten Tag haben.“

Ich entschied mich meinen Liegestuhl zu verlassen, denn an das Lesen meines Buches war im Moment sowieso nicht zu denken. Ich war viel zu sehr mit mir und meinen Gedanken beschäftigt. Ich stand auf und begann ein paar Meter am Strand entlang zu laufen.

Während meines Laufens stellte ich mir in Gedanken die allentscheidende Frage: „Bin ich glücklich?“ Niemand, nicht einmal mein wunderbarer Ehemann, hat mich je gefragt, ob ich glücklich bin. Wir versuchen ständig unser Unglücklichsein irgendwie zu handhaben. Wenn wir uns mit unseren Freunden treffen, reden wir immer über dieselben Dinge und Personen. Wir tun so, als wäre unser Leben interessant. Wir tragen die Maske des Alters, die Sicherheit und Gewissheit zeigt. Wir verbergen unsere Gefühle, aus Angst, die Anderen könnten uns für verletzlich halten und das ausnutzen.

Erst jetzt bemerke ich die anderen Menschen am Strand. Ich konnte sie die ganze Zeit nicht erkennen, weil ich so mit mir selbst beschäftigt war. Ich begann zu beobachten. Kinder, die im Wasser spielen, wie ein verliebtes Pärchen sich küsst und ein älteres Paar, das Hand in Hand am Strand entlang schlendert. Diese Bilder bringen mich erneut zum Weinen, denn hier sind Gefühle zu sehen, die ich in meinem Alltag nicht kenne.

In meiner Bilderbuchfamilie läuft alles wie am Schnürchen, der Tag ist sehr gut organisiert, aufstehen, Frühstück machen, mich selbst fertig machen, meine Kinder wecken, der kurze Smaltalk in der Küche. Mein Mann liest mir die wichtigsten Schlagzeilen des Tages aus der Zeitung vor, bevor er sich mit einem Kuss von mir für den Tag verabschiedet. Er nimmt die Kinder mit zur Schule und ich räume die Küche auf und gehe zur Arbeit.

Und wo sind meine Gefühle? Für Gefühle ist in meinem durchorganisierten Alltag keine Zeit! Das ist es also! Ich habe meine Lebensfreude und Leichtigkeit verloren!!!

Auf dem Rückflug lass ich in einer Frauenzeitschrift einen Artikel über eine Frau, der es ähnlich ging wie mir. Sie begann mit Bauchtanz, denn dieser aktiviert das Energiezentrum für Lebensfreude. Nach meiner Urlaubserkenntnis und diesem Artikel spürte ich meine Lebensgeister wieder und meldete mich sofort nach meiner Rückkehr bei einer Bauchtanzgruppe an. Dies tat mir sehr gut, denn ich begann wieder zu lachen, aber das allein war einfach zu wenig, ich konnte allein mit Buchtanz meinen Alltag nicht ändern. Der Bauchtanz war nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Mir wurde klar, ich brauche Hilfe, denn ohne professionelle Hilfe kann ich mich nicht aus meiner Negativspirale befreien.

Endlich hatte ich den Mut, meinen Mann in meine Gedanken einzuweihen. Er war ganz erstaunt, denn er hatte mir diese Unzufriedenheit nicht angemerkt. Auch ihm stellte ich die allentscheidende Frage: „Bist Du glücklich?“ Er antwortete darauf: „Darüber muss ich erst mal nachdenken.“

Einige Tage später kam er auf mich zu und sagte mir, dass er sehr lange über unser Gespräch nachgedacht hat und ihm ist aufgefallen, dass auch er keine Lebensfreude und Leidenschaft empfindet. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, gemeinsam ein Paarcoaching zu besuchen, denn zum Psychotherapeuten wollten wir nicht gehen.

Nach einem viertägigen Intensivcoaching haben wir uns wieder neu ineinander verliebt. Es ist unglaublich, aber wir haben nun beide wieder Schmetterlinge im Bauch. Wir haben auch gelernt, uns über unsere Gefühle und Bedürfnisse zu unterhalten, was uns näher zueinander bringt. Seit dem Coaching ist nun ein halbes Jahr vergangen. Natürlich ist die erste Euphorie etwas abgeflacht, aber dennoch sind wir in der Lage mit verschiedenen Handlungen unsere Schmetterlinge wieder zum Flattern zu bringen. Wir beide sind ausgeglichener und haben mehr Freude an unserer Ehe und in unserem Leben.

Ab jetzt werden wir uns jährlich ein Paarcoaching gönnen, auch wenn wir keine akuten Themen haben, damit wir uns selbst und auch den Anderen intensiver und besser kennenlernen. Denn durch die Arbeit an mir selbst bin ich reifer, selbstbewusster und gelassener geworden und gleichzeitig habe ich einen ganz neuen Mann erhalten. Er stellt seine Arbeit nicht mehr so in den Vordergrund und verbringt mehr Zeit mit unserer Familie.

Ich hätte es nie für möglich gehalten, aber jetzt kann ich sagen: Ja, ich bin glücklich!!!